Wenn Nicolas Cage dieser Tage in einem Film zu sehen ist, dann kann man sich meist nur über eines sicher sein: Es wird wild. Und mindestens grenzwertig verrückt. Das gilt auch für „Butcher’s Crossing“, einen absolut unromantischen Spät- bzw. Neo-Western, von dem The Playlist sehr zitierfähig behauptet, dass Cage hier nicht nur den Wahnsinn spiele, sondern den Mann im Wahnsinn. Kurz: Eigentlich spielt er mal wieder sich selbst. Diesmal in Gestalt eines Jägers, der sein Team Ende des 19. Jahrhunderts auf der Jagd nach einer mythischen Büffelherde anführt. Unter ihnen der junge Will Andrews. Der dürfte sich bald fühlen wie in „Moby Dick“. Weil Nic Cage als Western-Ahab natürlich keine Gnade mit sich, seinem Team oder seiner Beute kennt und die Jagd in den Rockys ihn buchstäblich in den – das hatten wir bereits – Wahnsinn führt …
Geisterschiffe haben wieder Hochkonjunktur, wie es scheint – auch wenn jüngst die „Dark“-Macher für Netflix daran gescheitert sind, aus „1899“ etwas mehr gruselig-mysteriöse Substanz herauszukitzeln. Vielleicht funktioniert so etwas halt doch besser auf Spielfilmlänge verkürzt. Wie etwa in „The Queen Mary“, einem tatsächlich zum schwimmenden Hotel umfunktionierten Kreuzfahrtschiff, um das sich reihenweise schauerliche Mythen ranken. Denen will hier ein junges Paar samt Sohnemann auf den Zahn fühlen. Wobei es zu ähnlichen temporalen Überlappungen kommt, wie wir das aus Haunted-House-Filmen kennen. Kurz: Die blutige Vergangenheit des Schiffes will nicht ruhen, sondern im Gegenteil in der Gegenwart ankommen. Was sehr erwartbare, aber für Horrorfans sicher recht erquickliche Folgen bzw. Jumpscares nach sich zieht.
Auch bei „Saw X“ weiß man schon nicht mehr genau, ob es das hier noch wirklich gebraucht hätte. Aber immerhin spricht ein zehnter Teil für die enorme Popularität der Reihe, die mal wieder einen Blick in die weitere Vergangenheit der Franchise wirft. Kurz: Unter der Regie von Kevin Greutert ist dieser Teil eher noch einmal „Saw 1,5“. Weil das Geschehen zwischen den ersten beiden Teilen angesiedelt ist und – die Fans wird’s freuen – mal wieder auf das heiß geliebte „Original“ Tobin Bell zurückgreifen kann. Den verschlägt es als todkranken John Kramer nach Mexiko, wo er sich von einem experimentellen Verfahren Heilung erhofft. Weil sich das Ganze als elaborierter Betrug entpuppt, wird auch Kramer wieder zum Puzzlespieler. Er zieht jene, die mit seiner Wunderheilung Schindluder betrieben haben, auf gewohnt grausame Art und Weise zur Rechenschaft. Mit gewohnter fallentechnischer Raffinesse, immerhin aber vor neuer Kulisse …
Hat sie oder hat sie nicht: Diese Frage beschäftigt das Kinopublikum bereits seit einigen Monaten mindestens ebenso sehr wie die Frage, ob Sandra Hüller für ihre unglaubliche Performance hier (und in „The Zone of Interest“) auch noch den Oscar abräumen kann. Im bereits vielfach ausgezeichneten Thrillerdrama der französischen Ausnahmeregisseurin Justine Triet brilliert sie als undurchsichtige deutsche Autorin, deren französischer Ehemann bei einem Fall von seinem Hausdach ums Leben kommt. Einziger Zeuge von dem, was möglicherweise auch eine Gewalttat sein könnte, ist der Sohn der beiden, dessen tragische Erblindung einer der Gründe für zunehmende Spannungen zwischen dem Paar sein könnte. Tatsächlich führen Ungereimtheiten dazu, dass der vermeintliche Selbstmord vor Gericht verhandelt wird, wo die Geschichte mindestens ebenso viele neue Seiten offenbart wie Hüllers Hauptfigur unterschiedliche Gesichter. Das (ergebnisoffene) Resultat: kaum weniger als meisterhaft!
Es gibt Zauberschulen, Camps für die Kinder griechischer Götter und es gibt Schulen der magischen Tiere. Dagegen nimmt sich die Schule von Maxe reichlich harmlos aus. So wenig passiert hier, dass sie ihren Schülern als langweiligste Schule der Welt gilt. Zudem als eine, in der ein böser Direktor mit seinem „Regelwerk der Verbote“ weiteren (und exponentiell angelegten) Unfrieden stiften will. Als während einer Klassenfahrt in die ebenso langweilige Pampa die bösen Direktoratspläne zur Entfaltung kommen (sollen), kommt ein Inspektor gerade recht. Sein Name: Rasputin Rumpus von der Behörde für Langeweilebekämpfung. Dank seiner Intervention erleben die Kids ein verrücktes Abenteuer. Und die beliebte Kinderbuchreihe eine filmische Umsetzung, der durchaus die ein oder andere unlangweilige Fortsetzung folgen dürfte.
Ein ganzes Leben ist mit Sicherheit kein einfaches Leben. Zumindest dann nicht, wenn man in einem der Bestsellerromane von Robert Seethaler („Der Trafikant“) zu Hause ist, der wie kein anderer wortmächtig „einfache“ Leben aus der Vergangenheit zu gegenwärtigem Leben erweckt. So auch das des Waisenjungen Andreas Egger, der um 1900 herum in ein abgelegenes Alpental kommt und als billige Arbeitskraft hier nur wenig Anerkennung und erst recht keine Liebe findet. Bis er Marie begegnet. Aber da ist es noch längst nicht vorbei sein „Ganzes Leben“, das schließlich auch zwei Weltkriege und so manche persönliche Tragödie umfasst. Unter der Regie von Hans Steinbichler wird das zum wunderschön fotografierten und authentischen, gleichwohl fast nüchternen Blick auf ein Leben, das als universell verstandenes Schicksal bis in die Gegenwart hineinwirkt.
John Woo. Ein Name wie Donnerhall in der Welt des modernen Actionfilms. Ohne Woo keine minutenlangen Zeitlupen-Shoot-outs, keine Taubenschwärme in verlassenen Kirchen und keine modernen Klassiker wie „Hard Boiled“, „Bullet in the Head“ oder – um sein bislang einzig wirklich wegweisendes US-Werk zu nennen – „Face/Off (Im Körper des Feindes)“. Längere Zeit war es still um den Action-Impressario, jetzt hat er sich – filmisch ausgerechnet zu Weihnachten – wieder gemeldet. Und zwar (fast) wortlos. Weil Brian Godlock (die von Joel Kinnaman gespielte Hauptfigur) im Kreuzfeuer zweier Banden seinen Sohn und seine Stimme verliert, schwört er stumme Rache. Und nimmt sie auch ein Jahr später. Das Ergebnis zeigt, was Woo am besten kann: Action und Shoot-outs so zu choreografieren wie kein Zweiter. An seine frühen Meisterwerke anknüpfen kann er aber auch nicht. Dass „Silent Night“ trotzdem überdurchschnittlich gut ist, zeigt nur, wie gut Woo einmal war.